Ich habe mal nachgerechnet und kann es eigentlich fast nicht glauben: seit 4 Jahren wohnen wir jetzt in Winzighausen. Meine Güte.
Damit hätten wir nicht gerechnet, als wir im Februar 2011 mit unseren 12 Gästen in den Winterjacken im Wohnzimmer das Zügelessen (Roastbeef mit Kartoffelsalat, ich erinnere mich lebhaft) bei frostigen 12 Grad Zimmertemperatur einnahmen, während draussen Temperaturen um die -18° herrschten. Dass im Vorfeld dieses denkwürdigen Dinners bereits um 16 Uhr kein Tropfen Wasser in der Küche – und im Bad nur noch kaltes -floss und wir dann am Tag darauf 4 Stunden lang zu dritt den Abwasch erledigten (kaltes Wasser im Bad holen, im Wasserkocher erhitzen, abwaschen), gab dem Ganzen noch den gewissen Pepp. Nicht nur meine Sippe (= die Gäste) weidet sich immer noch regelmässig an der Absurdität dieses Spektakels, auch ich denke hin und wieder gerne mit einem wohligen Schaudern daran.
Jedenfalls, weder ich noch mein Freund hätten je gedacht, dass wir so lange in Winzighausen hängen bleiben. Unvergessen bleibt „Schimmi“, der überdimensionale Schimmelpilz, an dem aussen ein paar Bestandteile einer uralten Waschmaschine klebten, was unsere Vermieterin dazu veranlasste, zu behaupten, Schimmi sei eine Waschmaschine. Die Kleider, die wir in Schimmi steckten, wurden von diesem beängstigenden Organismus zwar zuverlässig stinkender als vorher wieder ausgespuckt, was aber angesichts des Dreckpegels der „Waschküche“ nicht wirklich tragisch war, zumindest musste man gar nicht erst in Versuchung kommen, jeden Socken, der mit dem klebrigen, mit Mäuseexkrementen verzierten und übel riechenden Boden in Berührung kam, umgehend bei 95°C nochmals zu waschen – wir gingen rasch darüber über, gemäss der 5-Sekunden-Regel einfach kräftig auf das kontaminierte Kleidungsstück zu pusten und umgehend sämtliche Gedankengänge zum Thema Hygiene und Krankheitsprävention zu blockieren.
Irgendwann, niemand weiss genau warum, am wenigsten ich selber, hatte ich allerdings genug von Schimmi. Ich meine das nicht persönlich oder so, auch Schimmelpilze haben ein Recht zu leben, und ich möchte mich ausdrücklich davon distanzieren, auf den fragilen Gefühlen dieser Lebewesen herumtrampeln zu wollen, aber ich beschloss, dass Schimmi und ich künftig getrennte Wege gehen müssen, zu unser beider Schutz. Es begann die „Zuckerbrot-und-Peitsche-Phase“, in der ich der Vermieterin Unmengen an Kirschkuchen vorbei brachte und gleichzeitig nachdrücklich betonte, dass ich und Schimmi uns auseinander gelebt haben – und auch „potentielle Nachmieter“ allenfalls Vorbehalte gegenüber einem Waschmaschinen-grossen Schimmelpilz hätten. Beim Schlagwort „potentielle Nachmieter“ ging dann alles sehr schnell. Schimmi wurde vom Netz genommen und durch eine kleine, schnittige Hoover ersetzt. Der Jubel war allenthalben gross, ausser vielleicht bei Schimmi.
Letzten Freitag dann allerdings stand das Wasser zentimeterhoch rings um die Hoover. Ich verabschiedete mich innerlich von unserem Bodenlappen, als ich den in der Flut schwimmenden jahrzehntealten Mäusedreck damit aufwischte. Heute nun kam dann die grosse Neuigkeit der Vermieterin: „Da lebt ein Vieh in dem Abflussrohr, das hat den Schlauch gefressen!“ Mein verwirrter bis verstörter Gesichtsausdruck veranlasst sie, mir das ganze vor Ort zu zeigen. Sie wedelt mit einem verlöcherten Kunstoffschlauchteil vor meiner Nase herum und weist auf das dunkle Innere des Abflussrohrs im Boden: „Also, ein Marder kann es nicht sein. Marder leben nicht in Abflussrohren. Und die sind zu gross.“ In meinem Kopf bilden sich verschiedene reptilienartigen Wesen mit glitschigem Körper und scharfen Zähnen. Ich sehe sogar eine Sprechblase mit „Schmatz, sabber, yummie!“, während die glibbrigen Raubtiere krachend ein graues Plastikrohr snacken.
Wie soll ich sagen. In der Waschküche lebt ein Monster, aber das wussten wir ja schon, als wir Schimmi das erste Mal sahen. Die Heizkörper werden dank einem beherzten Heimwerker auf Twitter via Ferndiagnose wieder warm, die Laube, das grosse Plus unserer Behausung, erwacht mit Narzissen, Stiefmütterchen und Krokussen zum Leben.
Kann gut sein, dass wir noch etwas bleiben.
2 Kommentare
jpr
13. März 2015 bei 11:16Wichtig ist ja immer das Gesamtpaket – da duerfen einzelne Aspekte auch mal ausfallen, man arrangiert sich halt.
Viel wichtiger aber ist Ihre Entdeckung: ich glaube fest, dass Sie die Chance haben als erste das Tier abzulichten, das die einezelnen Socken frisst und quasi weltweig gesucht wird, wenn Sie nur ein wenig in Ihrer Waschkueche ausharren. Sensation in Winzighausen!
Änni
13. März 2015 bei 20:05Meine Güte, Sie haben so Recht! Diesen Zusammenhang von internationaler Tragweite habe ich, vertieft in meine Reptilien-Fantasie, gar nicht gesehen. Das wird DAS grosse Ding! Und alles, was ich tun muss, ist, den Schmatzgeräuschen zu folgen.