Bevor ich hier in epischer Breite meine Erfahrungen zu einem meiner beiden Vorsätze teile, ist es mir ein Anliegen, folgenden Grundsatz loszuwerden:
Ich hasse, hasse, hasse missionierende Dogmen und Mitmenschen, die mir diese aufdrängen wollen. Dabei spielt es für mich keine Rolle, ob es sich um Religion, Ernährung, Sport, Konsumverhalten, Kindererziehung, Suchtverhalten oder irgendwelche andere Grundsätze geht. Wenn mir jemand z.B. vermittelt, dass ich dank der Tatsache, vor mehr als einem halben Jahr mit Rauchen aufgehört zu haben, „endlich das richtige mache“, mit dem Unterton „endlich bist du auf der guten Seite der Macht gelandet!“, muss ich mich wirklich und ernsthaft extrem zusammen nehmen, um nicht auf der Stelle vor der Nase dieser Person eine Zigarette anzuzünden. „Purer Trotz“, würde meine Mama sagen, und ja, sie hat Recht, ich reagiere allergisch und trotzig auf irgendwelche Missionierungen. Es ist mir also ein enormes Anliegen, wirklich und ehrlich absolut niemandem irgend etwas zum Thema Ernährung aufdrängen zu wollen. Ich will nur erzählen, was ich in den letzen zwei Monaten für Erfahrungen gemacht habe, für den Fall, dass es jemanden interessiert. Alle anderen dürfen diesen Artikel gerne auf der Stelle wieder wegklicken.
Obwohl ich die Uni anno dazumals nach 3 Semestern mit Schwung geschmissen und meine akademische Laufbahn somit lebendig begraben habe, habe ich meine glühende Begeisterung für Feldstudien aller Art nie wirklich verloren. Je absurder die Untersuchung, desto höher schlägt mein unakademisches Forscherherz, ich liebe es, Daten zu erheben, Verläufe zu beobachten, Abweichungen und Besonderheiten zu dokumentieren. Ich möchte meine bisherigen Experimente darum unbedingt festhalten. Bisher habe ich vier parallel laufende Projekte im Bereich Ernährung am Start. Genau, klotzen, nicht kleckern, lautet meine Devise. Folgende Projekte laufen seit Februar:
- Projekt: Frühstück
- Projekt: Nutribullet
- Projekt: Lebensmittel-Roulette
- Projekt: Znacht (Abendessen)
In diesem Artikel gehe ich auf mein erstes Projekt ein, Beiträge zu den anderen Projekten folgen. Allerdings überschneiden sich die Projekte natürlich gegenseitig.
Projekt 1: Frühstück
Über Jahre hinweg ass ich mein Frühstück auf dem Weg zur Arbeit, im Zug. Es bestand aus allem, was das Kiosksortiment so hergab, meist eine Milchschnitte, manchmal ein Schoggigipfeli, manchmal auch beides, oft ein Multivitaminsaft, immer irgendeine Schoggimilch aus dem Tetrapack, immer zusätzlich Schokolade (als Entschädigung für die Gemeinheit, dass ich um diese Zeit bereits unterwegs sein musste). Ich fasste nun also den Entschluss, dies zu ändern, und zwar so, dass ich 5 Minuten früher aufstehe (wer mich kennt, weiss, dass das alleine ein ganzes Jahresprojekt ist), und zu Hause etwas gesünderes frühstücke. Als erstes habe ich:
- am nächsten Kiosk eine dubiose Sport-, Fitness-, Abnehmezeitschrift besorgt
- mehrere dort empfohlene Rezepte (aufgeführt unter „low carb“ oder „low fat“ oder sonst irgend so ein Scheiss) ausprobiert
- darunter 1 „Frühstück“ gefunden, das mir (mit leichter Modifizierung) schmeckt
- mich mit Vorräten eingedeckt, die es mir erlauben, dieses Frühstück an jedem Arbeitstag zu reproduzieren
Es ward… ein Chiasamen-Bananen-Müesli!
Als ich mich gerade so an dieses Frühstück gewohnt hatte, erklärte mir das Internet, das mit den Chiasamen (in der dubiosen Zeitschrift als Super-Duper-Wunder-Lebensmittel gefeiert) sei ein ungerechtfertigter Hype, ausserdem stammten die aus Südamerika, ihr Verzehr sei also ökologisch höchst fragwürdig und ernährungstechnisch auch nicht wirklich gerechtfertigt.
„Da greift man doch echt besser auf ganz gewöhnliche Leinsamen zurück“, las ich also verstört und mit offenem Mund, ich weiss leider nicht mehr, wo genau. Ich besorgte mir also Leinsamen, und stellte schon einmal hoch erfreut fest, dass die einen Bruchteil von den Chiasamen kosten. In Zusammenhang mit Experiment 2 schmiss ich annäherungshalber schon mal ab und zu eine Handvoll davon in einen Smoothie, so richtig auf die harte Tour nahm ich mir die Leinsamen aber erst diese Woche vor. „Ich ersetze doch einfach die Chiasamen in meinem Müesli durch Leinsamen!“, nahm ich mich mir vor. Ich begutachtete bei dieser Gelegenheit die Verpackung der Bio-Leinsamen etwas genauer. Herkunft: Indien.
Ok, ganz offensichtlich sind „ganz gewöhnliche Leinsamen“ ökologisch gesehen den „überhypten“ Chiasamen wirklich vorzuziehen!
Wie dem auch sei: Ich bin nach wie vor auf der Suche nach ökologisch sinnvolleren Zutaten. Auch meinem „Rausch“ betreffend Passionsfrüchten versuche ich Herr zu werden. Leider ist das bei mir so: Wenn ich ein neues Lebensmittel entdecke, das mir schmeckt, möchte ich es fortan jeden Tag essen. Bei Früchten wie der Passionsfrucht ökologisch gesehen nicht gerade wirklich sinnvoll. Ich weiche daher immer mal wieder auf aufgetaute Beeren aus.
Das optimale Frühstück ist das noch nicht, aber es ist sicher ernährungstechnisch sinnvoller als die Milchschnitten-Schoggidrink-Schoggistängeli-Kombi, die ich über Jahre hinweg konsumiert habe. Ich esse es gerne, und ich bin mittlerweile sehr angetan vom Umstand, dass ich mir das Frühstück bereits am Abend vorher parat mache. Es ist zu einem beruhigenden Abend-Ritual geworden, ich kann es dann am Morgen innerhalb von 5 Minuten essen, muss also nicht mehr als 5 Minuten früher ausfstehen.
Insgesamt, würde ich sagen, ist Projekt 1 bisher wirklich zufriedenstellend verlaufen.
Die Banane zermatsche ich, den Rest gebe ich dazu und vermenge es. Wenn man das dann in den Kühlschrank stellt, mutiert es am nächsten Morgen zu einer Art "Pudding". Die Chiasamen quellen auf und saugen sich mit Flüssigkeit voll, das Ganze wird stichfest. Ich gebe dann entweder das Innere einer Passionsfrucht oder aber etwas aufgetaute Beeren darüber sowie einen Esslöffel Ahornsirup. Ich vermenge alles und finde das wirklich sehr lecker, es nährt auch ganz gut.Chiasamen Frühstücks Müsli
Zutaten
Anleitung
5 Kommentare
Nicole
3. April 2016 bei 18:07Yay, toller Beitrag! Schoggigipfeli vom Kiosk sind auch so eine doofe Angewohnheit von mir.
Hast du schon mal tsampa probiert als Müesli Grundlage? Ist geröstetes Gerstenmehl. Die Packung ist im Gegensatz zu dieser auf dieser Seite hier weiss und in verschiedenen Reformhäusern erhältlich. Deutlich teurer als Haferflocken, aber durch die Röstung sehr lecker. Ich vermute es würde auch sämtlich Ansprüche an deine regionales Herz erfüllen.
http://www.tsampa.ch (Ich kriege kein Geld von denen, finde es wirklich toll)
Ich bin ja auch dagegen Südfrüchte in Massen zu essen. Und trotzdem finde ich, dass wenn das ein erster Schritt in die richtige Richtung für dich ist in ernährungstechnischer Hinsicht, dass das dann halt erstmal so ist. Besser als Milchschnitte sind Passionsfrüchte sowieso.
Änni
3. April 2016 bei 18:23Danke für deinen Kommentar! Wo wird dieses Gerstenmehl denn hergestellt? Ich werde beim nächsten Besuch bei der Reformdrogerie meines Vertrauens danach Ausschau halten.
Nicole
3. April 2016 bei 20:32Gute Frage. https://www.tsampa.ch/de/geschichte/ gibt etwas Auskunft. Es scheinen Bauern aus Süddeutschland zu sein. Demeter ist ja schon ein sehr strenges Label, ich zweifle, dass sie lange Vertriebswege akzeptieren würden. Ich muss es selbst mal wieder kaufen, ich gönne es mir nur zwischendurch.
jpr
4. April 2016 bei 21:33Naeher an den verhassten Haferflocken ist, was der grosse M ‚Dinkelmischung‘ nennt, ein Mix aus Puffkoernern und Flocken, den ich ganz brauchbar finde. Und Weizenkleie waere noch so ein ’stichfestmacher‘, zu dem aber auch genuegend Fluessigkeit ueber den Tag gehoert (ist also eher was anstelle der Leinsamen, als der Flocken).
Änni
4. April 2016 bei 21:40Wunderbar, danke für die Tipps!