Lebenslage/ Sport/ Wurzeln

No sports.

Wer mich nicht bereits im Schulalter kennen lernen durfte, der weiss vielleicht nicht, mit welcher Inbrunst ich jegliche körperliche Ertüchtigung hasse und wie sagenhaft unfähig ich mich bei jeder beliebigen Sportart anstelle: Dieser Gruppe meiner geschätzten Leserschaft also sei versichert, der Begriff der „Bewegungs-Legasthenie“ drückt nur unzureichend aus, wie unkoordiniert, ausdauerlos und maximal unwillig ich mich seit meiner Einschulung durchs körperlich aktive Leben hample. Diese ganze Begeisterung, die gefühlt bei jedem Mensch ausser mir schlagartig einsetzt, sobald er oder sie über einen massiv erhöhten Puls, Schweissausbrüche und Atemnot verfügt, sie ist mir dermassen fremd: „Wenn du Sport machst, kriegst du Atemnot, schwitzt und stinkst, echt, ich sehe nicht ein, was daran dermassen grandios sein soll.“

Mittlerweile bin ich in einem Alter und einer körperlichen Verfassung, in der ich jedoch deutlich spüre, dass ich mir genügend Bewegung verschaffen muss, um einigermassen fit zu bleiben. Ich will nicht mit Mitte 30 schon keine Treppen steigen mehr können, weil ich dabei fast umkippe (und, seien wir ehrlich, dabei schnaufe wie ein Walross). Ich hab auch absolut keinen Bock auf chronische Rückenschmerzen, davon hatte ich Ende 20 schon genug. Ich möchte einigermassen beweglich bleiben, ich möchte gesund bleiben, ich möchte nicht eingeschränkt werden im Alltag. Ich bin gerne in den Bergen, ich will auch weiterhin über Stock und Stein kraxeln können, ich will fit genug sein, um mit den Kids und Teens der Arbeit oder mit meinen Patenkindern Ausflüge, kleine Velotouren oder Wanderungen machen zu können.

In den letzten Jahren habe ich „Sportarten“ gefunden, die ich nicht ganz so schlimm finde wie den Rest der sportiven Welt, ich mache Yoga (wer darüber lacht, hat keine Ahnung, wie scheissanstrengend das sein kann, ich sags euch!), ich jogge so ein bisschen langsam vor mich hin (letztens wurde mir gesagt, in meinem Alter sollte man eigentlich locker untrainiert einen Halbmarathon laufen können – ich erstickte vor Lachen fast an der riesigen Meringue, die ich gerade in mich hineinschaufelte), ich fahre seit Emma II auch ganz gerne Velo (ausschliesslich kurze und flache Distanzen), und wandern, wie gesagt, mag ich sowieso, solange mich niemand mit dem Tempo stresst. Jedenfalls, ich hab mir so meine Strategien zurecht gelegt, wie ich zwar weiterhin unsportlich, aber einigermassen gesund durchs Leben stolpere.

Manchmal frage ich mich jedoch, welche Beziehung ich wohl zu Sport entwickelt hätte, wenn mir die Institution Schule ebendiese nicht 12 Jahre lang komplett versaut hätte (genau, es folgt ein „Sportunterricht-Bashing“ vom Feinsten, tüppierte Sportlehrkräfte dürfen gerne weglicken). Ich versuche mal, es nett auszudrücken:

Vermutlich war zumindest die Generation an Sportlehrern (ja, es waren alles Männer, aber ich bin sicher, ihre Unfähigkeit lag nicht in ihrem Penis begründet), die anno dazumals das Vergnügen hatten, mich zu beschulen, einfach nicht auf Kinder wie mich vorbereitet. Vermutlich waren „komplette Bewegungsidioten“ (Originalzitat) wie ich in ihrer Ausbildung schlicht nicht vorgekommen. In ihren Sport-Universen kamen Menschen wie ich nicht vor. Es war für sie daher schlicht unvorstellbar, dass ein Kind keine Chance hatte, ihre ausgetüftelten Übungen und lustigen Mannschaftsspiele einigermassen erfolgreich absolvieren konnten.

Der ultimative Hammer war ja: Ich war nicht mal übergewichtig – wobei Übergewicht, wie jeder gute Sportlehrer anno dazumals zweifelsfrei wusste, immer selbstverschuldet war, aber immerhin wäre das eventuell eine plausible Erklärung gewesen für mein umfassendes Versagen. Jedenfalls, dass ich also nie auch nur ansatzweise auszuführen imstande war, was mir der Sportlehrer aufgetragen hatte, musste, quasi als letzte Möglichkeit, der Sportlehrer-Logik halbwegs zu entsprechen, an meiner Faulheit und/oder böswilliger Verweigerung liegen. Wie soll ich sagen: Mit fortschreitender Anzahl an Schuljahren kam sie dann, irgendwann, die böswillige Verweigerung, aber allen Ernstes erst relativ spät. Vorher rannte, strampelte, kickte, kletterte, hampelte ich, keuchend, schwitzend, wie eine Verrückte, ohne je ein Lob oder wenigstens Anerkennung für meine immense Anstrengung zu erhalten. Ich war immer Letzte. Ich konnte keinen Ball fangen, ich konnte keinen Ball werfen, ich schaffte es nie aufs Reck, ich hing wie ein Sack Kartoffeln an den Ringen, ich verlor in der Turnhalle jeweils augenblicklich die Übersicht, ich stand meist nicht mal am richtigen Ort. Ich war in jeder nur erdenklichen Disziplin grauenhaft schlecht.

Dass es anno dazumals als höchste pädagogische Leistung galt, bei Mannschaftssportarten die zwei besten Schüler der Klasse abwechselnd ihre Mannschaftskollegen wählen zu lassen, half in den 4 Jahren Mobbing an meiner Wenigkeit ziemlich effizient, den letzen noch vorhandenen Selbstwert in den Sportlektionen in der Luft zerfetzen zu lassen. Bämm!! Wie eine Handgranate. Denn, wer hätte das gedacht, auch da war ich nämlich immer Letzte, leider jedoch nicht unkommentiert, es wurden Beileidsbekundigungen ausgesprochen, wenn klar wurde, wer mich in seinem Team haben musste (gefolgt von den üblichen Beschimpfungen, Demütigungen und Spuck-Attacken, aber eben, was soll da ein einfacher Sportlehrer auch gegen tun, so sind sie halt, die Schüler…). Ich kann wirklich nur hoffen, dass die heutigen Generationen an Sportlehrkräften nicht nur toll Kugel stossen lernen in ihrer Ausbildung, sondern wenigstens rudimentäre pädagogische Strategien kennen lernen, wie sie auch unsportlichen Schülern zu Erfolgserlebnissen verhelfen können und eine Nulltoleranz für Demütigungen und Mobbing eingetrichtert bekommen – andererseits, schlimmer als damals kann es ja eigentlich gar nicht werden.

Es ist nämlich so: Ich war vor diesen ganzen grauenhaften Sportlektionen kein träges Kind. Ich verbrachte meine Kindheit grösstenteils draussen, ich rannte im Wald umher, kletterte auf Bäume und Felsen, baute mit meinen Kindergartenfreunden Schaukeln und Baumhäuser, siegte regelmässig im Armdrücken und galoppierte auf dem Pferd eines Nachbarmädchens durch die Felder. Ich hatte jede Menge Energie und Spass daran, herumzutoben, genau so, wie es wohl die meisten Kinder in dem Alter haben. Dass ich wahnsinnig ungeschickt und langsam war und offenbar alles falsch machte, was mit Bewegung zu tun hatte, das erfuhr ich ungelogen erst in der Schule, dafür dann umso deutlicher und wie gesagt zermürbende 12 Jahre lang.

Einen absurden Höhepunkt meines Hasses auf den Sportunterricht erreichte ich übrigens, als ein Sportlehrer im Gymnasium mich zwang, gemeinsam mit meinen Mitschülerinnen während dem Unterricht eine öffentliche Demo zu besuchen, die die Kürzung der Sportlektionen im Lehrplan verhindern wollte. Ich skandierte mit meiner besten Freundin lauthals „schafft den Scheiss Sport endgültig ab“, was aber in den ganzen Sprechchören der Sportfanatiker wohl leider kläglich unterging.

Jedenfalls, falls sich dennoch Sportlehrkräfte unter meinen Leserinnen und Lesern befinden, die bis hierhin durchgehalten haben, hier meine Message an euch:

  • Versaut sportlich minderbegabten Schülerinnen bitte nicht die Freude an Bewegung.
  • Anerkennt die Tatsache, dass einige Kinder und Jugendliche das, was durchschnittliche Schülerinnen und Schüler problemlos schaffen, nicht mal mit enormer Anstrengung hinkriegen.
  • Bewertet die Leistungen eurer untalentierten Schülerschaft gemäss ihren Möglichkeiten und nicht verglichen mit denen ihrer sportaffinen Mitschüler.
  • Verzichtet auf die beschissenen mobbingfördernden Methoden, achtet darauf, dass sich alle Schülerinnen und Schüler sicher fühlen in euren Lektionen.
  • Baut auch Elemente ein, die keine Rangliste, sondern einfach Spass als Ziel haben.

Danke.

Möglicherweise interessiert dich auch:

1 Kommentar

  • Antworten
    Annette
    18. August 2018 bei 15:32

    Genau

  • Hinterlasse einen Kommentar