Heute hab ich mich entschieden, eine längere Backwaren-Velotour zu unternehmen. Eine Kollegin aus einem fernen Aargauer Kaff hatte sich gemeldet, und da die Gute hochschwanger ist, getraute ich mich mich nicht, ihr zu widersprechen – man weiss ja, wie das enden kann. Jedenfalls, liebes Tagebuch, ich hab beschlossen, mein #BackenAgainstTheCoronaKoller Projekt fortzuführen, allerdings nur noch werktags und mit einer 4tägigen Osterpause. An Wochenenden und an den Feiertagen gibt es genug Volk in den Naherholungsgebieten, da muss ich nicht auch noch da drurchkurven. Nur noch für mich und meinen Freund zu backen, ist irgendwie keine Option – wie soll ich sagen, da sträubt sich meine Grossfamilien-Sozialisation mit voller Kraft dagegen. In meiner Kindheit sassen jeweils so zwischen 12 und 16 Leute am Tisch, je nach je, wie viele Handwerker / Nachbarn / Verwandte / Erntehelfer / sonstige Besucher*innen gerade zu Gast waren. Dem Emmental hab ich zwar bereits vor 18 Jahren den Rücken gekehrt, aber: Einen Kuchen für 2 Personen zu backen, das geht für mich schlicht nicht. Das hat auch nur ganz bedingt was mit der Menge zu tun, es geht viel mehr ums Prinzip: Süsses teilt man, fertig. Und da ich nun mal nicht der Typ für den Kirchenchor und den Turnverein bin, mich generell gerne bisschen abschotte, dadurch in unserem Wohnort nur wenig Leute kenne und die meisten meiner Freunde über die ganze Deutschschweiz verstreut sind, teile ich halt mit Leuten am anderen Ende des Aargaus, oder so.
Dazu kommt: Ich werde die gesamten 4 Ostertage zu Hause verbringen, aber ab und zu muss ich dringend an die frische Luft und, genau so wichtig, ich brauche ausreichend Bewegung – nicht nur aus Bikinifigur-Gründen, sondern auch, damit meine Stimmung im grünen Bereich bleibt.
Jedenfalls, liebes Tagebuch, heute hab ich also:
- verflixt lange… ach, ist ja eh klar
- In aller Ruhe gefrühstückt
- Anhand grober Schätzungen einen Apfel-Streuselkuchen gebacken – ohne Rezept oder Ahnung, als Basis dienten zwei kryptische Nachrichten einer Internetbekanntschaft
- Festgestellt, dass man Haferflocken mit dem Zyliss nicht zerkleinern, sondern nur mahlen kann
- Mich bezüglich der Menge Streusel doch ziemlich verschätzt
- Den Garten gewässert und festgestellt, dass die Radiesli bereits gekeimt sind
- Festgestellt, dass die Masse meines Velo-Körblis echt nicht gut auf die Masse von Backblechen und Tortentransportboxen abgestimmt sind
- Den Streuselkuchen halt schräg ins Körbli gestellt
- Sämtliche Dinge wie Portemonnaie, Proviant, Wasserflasche etc. dieses Mal in einen Rucksack gepackt – man lernt ja aus Fehlern
- Versucht, meinen Hintern in eine knielange „Sommerhose“ zu zwängen
- Festgestellt, dass der Hose 1 Knopf fehlt
- Den 2., noch vorhandenen Knopf mittels „Baucheinziehen“ knapp schliessen können
- Kurz versucht, abzusitzen, das sofort abgebrochen
- Überlegt, ob ich wohl ein Notfall-Nähset einpacken sollte, für den wahrscheinlichen Fall, dass der 2. Knopf unterwegs in hohem Bogen abspringt
- Mich dann doch für die wundersam dehnbare Bauch-Weg-Jogginghose entschieden
- Mich grossflächig mit Sonnencreme einbalsamiert
- Schliesslich losgefahren
- Die ersten 14km im Nu zurück gelegt
- Dann in eine sagenhaft steile Strasse mit dem bezeichnenden Namen „Hellweg“ abgebogen
- Festgestellt, dass diese Ortschaft, bestehend aus Industrie, höllischem Verkehr (sogar zu Corona-Zeiten) und trostlosen Überbauungen, wirklich unfassbar hässlich ist
- Mir dazu gratuliert, dass wir trotz mehrerer Wohnungsbesichtigungen in diesem Ort NICHT hierher gezogen sind
- Ein durchaus hübsches Dorf durchquert
- Nach langer Hauptstrassen-Strecke schliesslich in einen netten kleinen Wald abgebogen
- Kurz darauf schon wieder eine dieser hässlichen Ortschaften durchquert, die für mich den Kanton Aargau ausmachen
- Viele, viele Höhenmeter zurückgelegt
- Etwa alle 10 Minuten, sicher aber bei jeder Abzweigung angehalten, um meine Route auf Google Maps zu studieren
- Schliesslich einer Allee aus blühenden Obstbäumen entlang einen kleinen Hügel runtergesaust
- Mir schon überlegt, wie anstrengend es sein würde, diesen Hügel auf der Rückfahrt raufzufahren
- Die Pedale getreten, die Pedale getreten, die Pedale getreten
- Schliesslich bei meiner Kollegin angekommen und ihr den Streuselkuchen ausgehändigt
- Einen lustigen 2m-Abstand-Plausch gehalten
- Ein kühles Getränk genossen
- Mich schliesslich verabschiedet und mich auf den Rückweg gemacht
- Dabei deutlich seltener mein Handy konsultiert und den Weg trotzdem einigermassen gefunden
- Das Abendlicht und die leeren Wege genossen
- Am Waldrand meinen Proviant vertilgt
- Wohl noch nie zuvor dermassen gierig eine Banane vertilgt
- Eine Notiz an mich selbst gemacht: Das nächste Mal unbedingt ein Sandwich einpacken!!
- Ein doch recht hübsches Schloss fotografiert
- Den Weg entlang der Aare genossen
- Dabei allerdings ehrlich gesagt die Oberschenkel doch ziemlich gespürt
- Jede noch so kleine Steigung sofort registriert
- Viele kitschige Fotos geschossen
- Mit letzter Kraft den kleinen Hügel vom Brückenland ins Dorf geschafft
- Fix und fertig, enorm hungrig, aber zufrieden zu Hause angekommen
- Meinem Freund für sein perfektes Timing (er war gerade dabei, Teigwaren in kochendes Wasser zu schütten) gratuliert
- Einen Salat geschnibbelt
- Ohne irgendwelche bissigen Kommentare dankbar eine riesige Portion Nudeln samt Fertigsauce in mich hineingeschaufelt
- Mit meinem Freund die letzten Stücke Mango-Roulade geteilt
Bis morgen!
Dein Änni
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