Der heutige Tag war irgendwie schön, irgendwie aber auch bisschen merkwürdig, was grösstenteils daran lag, dass wir beide, ich und mein Freund, halt irgendwie merwürdig sind. Der Arbeitgeber meines Freundes hat ihn heute kontaktiert und ihm mitgeteilt, dass er zumindest den Lieferdienst der Pizzeria wieder in Betrieb nimmt. Mein Freund arbeitet also seit heute Abend wieder, und hat dabei als Kurier jede Menge Kontakt mit Menschen. Nun sind wir ja beide noch blutjung (wehe dem, der was anderes behauptet!) und gesund und müssen uns daher wenig Sorgen um unsere Gesundheit im Falle einer Ansteckung machen. Wie dem auch sei, die Diskussion über eine mögliche Ansteckung hat dann irgendwann trotzdem dazu geführt, dass wir beide einander jede Menge schriftlicher Informationen für den Fall meines oder seines Ablebens zugänglich gemacht haben, inklusive der grossen Frage, was mit unserem Leichnam genau geschehen soll (ich will übrigens verbrannt werden, das braucht weniger Platz und man muss mich nicht paar Jahre später nochmal ausbuddeln). Ich habe eine Mitgliedschaft bei Exit beantragt (mein Freund ist mir in solchen Dingen immer mehrer Nasenlängen voraus, er ist bereits Mitglied), vor allem auch darum, weil man als Mitglied ganz easy eine Patientenverfügung ausfüllen kann. Wir haben unsere finanziellen Verhältnisse geklärt – ja, einiges wäre tatsächlich einfacher, wären wir verheiratet – und uns gegenseitig den PIN für unsere Smartphones hinterlegt – wahre Romantik halt!
Liebes Tagebuch, mir ist absolut bewusst, dass das alles für viele wohl total schlimm klingen muss, aber wie soll ich sagen, wir funktionieren (unter anderem) in dem Bereich halt wirklich bisschen anders als der Schnitt. Das bedeutet, wir können problemlos völlig sachlich darüber diskutieren, woran wir denken müssen, worüber wir reden müssen, was alles auf uns zukommen würde, wenn einer von uns beiden stirbt. Darüber bin ich wirklich froh, dieses emotionale Gedöns zu diesem Thema muss echt nicht sein.
Abgesehen von diesen ganzen morbiden Gesprächen habe ich heute aber auch noch paar andere Dinge gemacht, darunter z.B.:
- Mails gelesen und geschrieben
- Meinem Freund grosszügig das Aufräumen und Putzen des Schlachtfeldes in der Küche (die Donuts, ihr erinnert euch) überlassen
- Den Garten gewässert und all meine Blumen und Setzlinge inspiziert
- Dabei festgestellt, dass die angesäte Kamille tatsächlich wächst!!
- Mich von meinem Freund bekochen lassen (Nudeln ohne nichts, seine Spezialität)
- Emma die zwote gesattelt und mit der letzten Donut-Lieferung Richtung Stadt gebraust
- Mich dank mangelnder Kenntnisse der Velowege nur zweimal verfahren
- Zum ersten Mal in meinem Leben mit dem Velo einen doppelspurigen Kreisel durchquert, dabei dem Universum dafür gedankt, dass aktuell echt wenig Verkehr herrscht
- Die mir unbekannte Wohnung ziemlich lange gesucht
- Dabei von diversen Nachbarn ziemlich kritisch beäugt worden
- Schliesslich die richtige Haustür gefunden und die Donuts davor platziert
- Auf dem Rückweg gedacht „ach, jetzt weiss ich ja, wo es langgeht, ich lasse das mit Google Maps und fahre einfach nach Gefühl“
- Diese Entscheidung drei Sackgassen später doch ziemlich bereut
- Angesichts des wunderbaren Wetters entschieden, die Velotour noch bisschen zu verlängern
- Festgestellt, dass der Wasserpegel der Aare verflixt hoch ist
- Sehr, sehr viele Städter an der Aare getroffen
- Sehr, sehr viele Rechnungen bezahlt (das Sümmchen, das mein Freund erben wird, ist somit noch mehr geschrumpft)
- Kurz überlegt, ob ich unsere Papier- und Kartonsammlung wohl zur Entsorgungsstelle fahren sollte
- Mich dagegen entschieden
- Einen Radau im Gang gehört und schliesslich den Übeltäter gefunden (siehe unten)
- Beim Rauchen auf der Terrasse versehentlich nicht nur eines, nein, gleich zwei!! Löcher in meine (zumindest davor) gute Hose gebrannt & damit Anwärterin für den Darwin-Award für die dümmstmögliche Raucherin ever geworden
- Brot gebacken
- Ein leckeres Müesli zubereitet & kurz überlegt, ob ich für meinen Freund eine Anleitung schreiben soll, wie das geht, für den Fall meines Ablebens – der Gedanke, ihn mit seinen begrenzten Müesli-Skills alleine zu lassen, erscheint irgendwie herzlos
- Entschieden, dass wir für heute genug makabere Gespräche geführt haben
Bis morgen!
Dein Änni
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