Lebenslage/ Wohnsituation

„Das Loch.“

Nein, für einmal werfe ich hier nicht mit unfeinen Beschimpfungen um mich – und hier folgt auch keine neue Folge der beliebten Serie „Änni erklärt’s: Wissenschaft für du“ zu den biologischen Eigenarten des Abschluss des menschlichen Dickdarms. „Das Loch“, man höre und staune also („rieche“ besser nicht), kommt ganz ohne „A…“ daher, bezieht sich dieser Eigennamen schliesslich nicht auf den Intimbereich der Menschheit, sondern auf den unserer Wohnung, quasi.

Eigentlich hätten wir es ahnen müssen. Die letzte Schlacht gegen „Schimmi“ (spricht sich übrigens aus, als würde ein mexikanischer Drogenbaron versuchen,“Jimmy“ auszusprechen), dem mutierten Schimmelpilz, der sich für eine Waschmaschine hielt, ist lange her, und das reptilienartige Monster, das sich von Abflussschläuchen aus Plastik ernährt hatte, war, nachdem es quer über all unsere Besitztümer im Keller fleissig Exkremente verteilt hatte, an einer ordentlichen Portion Rattengift der Vermieterin jämmerlich verendet, an einem unauffindbaren Ort, übrigens, wodurch wir noch Wochen später seine Rache aus dem Jenseits in Form von betäubendem Gestank ertragen mussten. Es war, um mich kurz zu fassen, seit mehreren Monaten richtiggehend langweilig geworden in unserer Luxus-Bude. Noch froren wir jahreszeitlich bedingt nicht übermässig, höchstens unter der Dusche, wenn der Boiler mal wieder die Zusammenarbeit verweigerte, aber das gehört für uns nach 5 Jahren in unserer eigenwilligen Behausung längst zum Alltag, und auch sonst schien alles gefährlich unauffällig im Bereich der Norm zu verlaufen.

Bis zu jenem schicksalhaften Abend, als ich, wohl zum ersten Mal seit wir hier wohnen, von übermässigem Putzeifer gepackt, das Regal neben der Dusche verschob, um auch dahinter und darunter zu putzen. Welch bescheuerte Idee!! Ich kann an dieser Stelle gar nicht genug betonen: Es gibt Dinge auf Erden, die sollte man dem natürlichen Lauf der Gestirne überlassen. Der Dreck hinter Regalen gehört definitiv dazu. Wer den Frevel begeht, sich in dieses fragile kosmische Gefüge einzumischen, der muss dann halt auch damit rechnen, urplötzlich vor kosmischen Diskrepanzen zu stehen. Beziehungsweise IN kosmischen Diskrepanzen. Ja genau, in einem unausweichlichen Sog aus Antimaterie, mitten in einem schwarzen Loch.

Da stand ich also, neben dem Regal, mit dem linken Fuss auf vertrauter Höhe auf dem sagenhaft hässlichen PVC-Boden unseres Badezimmers, mit dem rechten dagegen verwirrend tief, wobei die genaue Höhe meiner Fusssohle, von unschönem Knarzen begleitet, klar einem kontinuierlichen Trend gegen unten folgte, bis ich schliesslich in letzter Not die zunehmende Diskrepanz an Höhenmetern meiner beiden Fusssohlen mit einem heldenhaften Rückwärtspurzelbaum zurück auf sicheres Terrain beenden und meinen rechten Fuss vor dem Sog der Antimaterie retten konnte. Das war knapp!! Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn mich die rettende Idee des Rückwärtspurzelbaums nicht rechtzeitig erreicht hätte – gut möglich, liebe Leserschaft, dass ich das traurige Schicksal aller Antimaterien-Sog-Opfer geteilt hätte und auf Nimmerwiedersehen im schwarzen Loch verschollen wäre – und ihr NIE NIE NIE mehr in den Genuss eines meiner betörenden Blogbeiträge gekommen wäret!! Beim blossen Gedanken daran werdet ihr von panischem Schauder gepackt, schon klar!

Wie dem auch sei, ich lag also da, auf dem Badezimmerboden, platt wie eine Flunder, röchelnd nach Luft schnappend und mit vom Purzelbaum zerdellten Kopf – ja, die Tücken der Schwerkraft -, knapp dem Grauen entkommen, und gelobte keuchend, nie wieder die Allmacht der kosmischen Ordnung durch das Verschieben eines Regals herauszufordern, als mein Freund die Wohnung betrat. Er hörte sich mit gerunzelter Stirn meine Ausführungen zur Rache des Kosmos und meiner knappen Rettung vor der Antimaterie an und kommentierte schliesslich in der ihm eigenen lakonischen Art seine Erkenntnis daraus: „Aha, unser Badezimmerboden fault also weg.“

Auch wenn ich nach wie vor der Ansicht bin, dass mein werter Freund meinen ganzen heroischen Kampf mit dem Sog des Bösen mit solch profanen Äusserungen schmählich diskreditiert, es war dann nach zähen Verhandlungen doch die Formulierung, mit der wir unserer Vermieterin von den Geschehnissen in unserem Badezimmer berichteten. Nun könnte man denken, dass eine Vermieterin, die doch immerhin just unterhalb unseres Badezimmers ihr Schlafgemach hat, von einem vor sich hin faulenden Boden über ihrem Bett einigermassen aus der Fassung gebracht wird – unsere Vermieterin aber, seit Jahren mit Besonderheiten wie Monstern, die sich von Plastik ernähren, mit gigantischen Schimmelpilzen mit Persönlichkeitsstörung oder aber mit eigenwilligen Heizkörpern und Warmwasser-Roulette konfrontiert, hatte für „das Loch“ nur ein müdes Lächeln übrig. „Das kann halt mal passieren“, meinte sie, nachdenklich fügte sie an „mir allerdings nicht, schliesslich habe ich selber ja gar kein Badezimmer…“ Während ich diese Information noch verwirrt zur Kenntnis nahm und mehrere Schlüsse daraus ableitete, hatte sie schon den örtlichen Handwerker engagiert. „Freitag um 17:30 kommt er vorbei.“

Der Freitag kam, ich kam nach Hause, doch weit und breit kein Handwerker. „Ach, dann kommt er halt ein anderes Mal vorbei, ist doch cool, dass unser Bad wieder mal richtig sauber ist“, schrieb ich unbeschwert ins Internet, rückte das voluminöse Badetuch, mit dem wir „das Loch“ in der Zwischenzeit möglichst unauffällig kaschierten – und das gleichzeitig verhindern sollte, dass mein Höllenkampf mit der Antimaterie in die zweite Runde ging – hübsch zurecht und verlor keinen weiteren Gedanken an die Umstände. Es war bereits Samstag Vormittag, als mich ein besorgter Kommentar aus dem Netz aufrüttelte: „Was, wenn der Handwerker doch da war?!?!“

HEILANDSACK!!!

Nicht auszudenken!! Der arme Tropf, ich sah ihn direkt vor mir, wie er, nichtsahnend und ein munteres Handwerkerliedchen vor sich hinpfeifend, neugierig unter das Badetuch guckte, sich angesichts der sirrenden dunklen Antimaterie staunend nach vorne beugte, um noch mehr zu sehen, bis er schliesslich so nah am brausenden dunklen Sog war, dass er, einen gellenden Schrei ausstossend, vom Sog erfasst und blitzschnell in die Tiefe gezogen wurde, ins Nichts, in die kosmische Diskrepanz, ins Verderben, das sich auftut, wenn man die Naturgesetze zu wenig achtet und sich gesellschaftlichen Zwängen wie „putzen“ beugt.

Heilandsack, und jetzt habe ich nicht nur „das Loch“ am Hals, das weiterhin fröhlich vor sich hin klafft, inklusive seiner ganzen bösartigen antimaterischen Sogwirkung, nein, ich habe auch noch einen Handwerker auf dem Gewissen, der schon alleine aufgrund der bescheidenen Gesamt-Anzahl sämtlicher Dorfbewohner sicher schon bald vermisst wird, und all das nur, weil ich ein Regal verschoben habe, um dahinter zu putzen.

LASST EUCH DIESE GESCHICHTE EINE WARNUNG SEIN!!!

 

Loch 300x256

… bye, bye, Handwerker.

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4 Kommentare

  • Antworten
    Daniela
    19. Oktober 2015 bei 21:47

    Großartig! Der nächste Handwerker, der’s vergeigt, den darf ich dann für einen letzten Auftrag zu euch schicken?!

    • Antworten
      Änni
      23. Oktober 2015 bei 15:32

      ? solange das unter uns bleibt, warum nicht?…

  • Antworten
    Lovey
    20. Oktober 2015 bei 07:35

    Eventuell – aber nur eventuell – ist der Handwerker, die ja notorisch gute Hudinis sind, der Schwarzen Materie entkommen und im darunter liegenden Schlafzimmer der Vermieterin gelandet? Lächelt sie denn in letzter Zeit mehr als sonst?

    • Antworten
      Änni
      23. Oktober 2015 bei 15:32

      Mit dieser Vermutung bist du nicht allein… ?

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