Es gibt Ereignisse in meinem Leben, die sind dermassen absurd, dass ich Tränen lache, dass ich mir den Bauch halten muss, dass ich mich (wörtlich!) komplett zusammen krümme vor Lachen, dass ich in höchst unangebrachtem Masse an Zeit und auch an Lautstärke so intensiv lache, dass ich mich kaum noch berhuhigen kann. Es kommt vor, dass ich ein ganzes Feuerwerk an Lachflashs erlebe, die einen grossen Anteil der Durchschnittsbevölkerung offenbar stark befremden. Mein Gehirn funktioniert im Bereich Humor offenbar irgendwie nicht ganz durchschnittlich, denke ich da auf einer Metaebene, das finde ich aber auch wirklich total ok, weil mich Durchschnitt in den meisten Fällen sowieso langweilt. Ich finde es meistens irgendwie cool, dass ich so funktioniere, denn dadurch ist mein Leben halt ganz einfach viel lustiger, mein soziales Umfeld hingegen, das stand meinen Lachflashs schon immer sehr ambivalent gegenüber. Ich möchte jetzt nicht ausmalen, wie viele nette und wohlmeinende Menschen ich in meinem Leben schon verscheucht habe, weil mein lautes, dreckiges Lachen in unmöglichen Situationen sie offenbar enorm beschämt hat, ich habe mich mittlerweile damit arrangiert, dass die meisten Menschen mit mir und meinem Humor extrem gefordert sind – und wer mich nicht aushält, der soll halt gehen. Jedenfalls, letztes Wochenende, da erlebte ich gleich mehrere solche Momente, als ich mich, mutig, wie ich nunmal bin, in heimatliche, bzw. Sozialisations-Gefilde wagte, um an einem regionalen kulturellen Höhepunkt, einem sogenannten „Streetfood-Festival* “ teilzunehmen. Weil ich mich im Laufe dieses feinsinnigen Anlasses dermassen schlapp gelacht habe, möchte ich euch, meine treue Leserschaft, unbedingt daran teilhaben lassen. Geteiltes Lachflash ist schliesslich potenziertes Lachflash, oder?…
In meinem Blog-Leben habe ich schon extrem viele extrem persönliche Dinge von mir ins Netz gestellt, über die geographische Hochburg meiner desaströsen Adoleszenz zu schreiben, birgt jedoch einen ganzen Jahrevorrat an sozialem Zündstoff mit sich. Wie ich so schön sagte:
„Lachflash im Herzen meiner Sozialisationsstadt… ich hab schon ewig nicht mehr so gelacht. Wenn ich nicht die halbe Stadt kennen würde – und sie mich –, ich würde das verbloggen. Ich müsste in die Anonymität abtauchen. In einen anderen Kanton, in einen anderen Lifestyle, in ein komplett anderes soziales Umfeld. (Oh, wait.)“
Ja, hier, im Herzen von Bauerntown*, da hab ich so einiges erlebt – und, heilige Scheisse! – ich danke dem Universum fast jeden Tag persönlich, dass ich nicht mehr hier leben muss. Als mich also eine meiner Verwandten gefragt hat, ob ich am Wochenende einen Abend mit ihr in Bauerntown an einem „Streetfood-Festival“ verbringe, musste ich tatsächlich erst mal darüber nachdenken, ob ich mir das alles antun will. „Du kennst dort doch sicher immer noch jede Menge Leute! All deine ehemaligen Mitschülerinnen und Mitschüler!“ „Tut mir leid, aber ich hoffe wirklich für jede einzelne mir bekannte Person, dass sie nicht in diesem Kaff stecken geblieben ist…“ Tja, aber wie soll ich sagen, schon fast pathologische Hartnäckigkeit und psychologische Tricks, um das Gegenüber mürbe zu machen, liegen bei uns einfach in der Familie, und so kam es, dass ich mich an diesem kalten Märzabend tatsächlich direkt von einer Weiterbildung in einem anderen Landesteil auf den ÖV-Weg nach Bauerntown machte.
Bereits auf dem Weg zum „Festival“ lachte ich gemeinsam mit meiner Bgleitung viel und ausdauernd, weil das Provinznest schlicht Spott provoziert, wenn man sich all die betonte kulturelle Offenheit und die lachhaft beworbene „Urbanität“ zu Gemüte führt. Ich meine, sorry, aber seien wir mal ehrlich: „Streetfood“ in Bauerntown?! Der Streetfood meiner Jugend bestand aus experimenteller Mikrobiologie, bzw., aus drittklassigen Dönern, Bratwürsten fragwürdiger Herkunft und literweise Bier aus Plastikbechern, Sangria aus dem Tetrapack und einer roten Brühe, die wir für Rotwein hielten. Die Musik, die uns durch diese ganzen kulinarischen Hochgenüsse begleitete, schepperte aus einem uralten tragbaren Kassettenrekorder (ja, liebe heutige Jugend, Kassetten waren das Spotify der 90er), oder, weitaus schlimmer, aus einem der schmuddeligen Etablissements, in dem wir tatsächlich zu schmerzhaft schlechter Popmusik tanzen gingen und uns für sagenhaft cool hielten.
„Sei nicht so gemein“, ermahnte mich meine Verwandte (selber boshaft grinsend), „in den letzten 15 Jahren hat sich sicher alles total verändert. Bauerntown ist jetzt hip!“ Sie konnte dann einen eigenen Lachkrampf nur schwer unterdrücken, und wir kamen beim „Festival“ an.
Jede Menge Marktstände waren da aufgebaut, ich hörte von weitem bereits Panflötenmusik und wollte auf dem Absatz kehrtmachen und fliehen, aber meine Begleitung hielt mich in eisernem Griff fest, und so blieb mir nicht viel anderes übrig, als mir dieses Bouqet an kulturellen Höhenflügen trotzdem reinzuziehen. Abartig wurde es, als wir plötzlich einer grossen Gruppe von verkleideten Mittelalter-Freaks standen, die ihre Speere und Helme zückten und sich zu einer schlecht organisierten militärischen Einheit formierten. „Fluchtweg, wo ist der Fluchtweg?!“, im Zickzack flüchteten wir uns in die Besuchermasse, bis wir plötzlich direkt vor einem Dudelsackspieler standen. „Himmelarsch!“, entfuhr es mir, offenbar wurde hier kein Klischee ausgelassen. Meine Begleitung legte sich unterdessen eine mentale Karte aller Essensstände an, schliesslich waren wir, wie immer, eigentlich nur des Essens wegen da. Essbares war tatsächlich in grosser Vielfalt da, vergeblich hoffte ich auf asiatische, orientalische oder mexikanische Küche (nun ja, eigentlich war ja klar, dass Bauerntowns Offenheit gewisse Grenzen gesetzt war – die der eigenen Stadtgrenzen, zum Beispiel). Auch heute waren drittklassige Döner und Bratwürste undefinierbaren Inhalts sehr populär vertreten, wie auch Bier in schmuddeligen Bechern und undefinierbarer Glühwein, aber wir fanden dann doch noch einen höchst exotischen Stand: Crêpes, mit Schinken und Käse. Wie mondän! „Crêpes“ war sogar auf französisch angeschrieben!!
Nachdem wir uns der ebenfalls höchst exotischen Versuchung eines Irish Coffees – in hippen Plastikbechern mit sagenhaften 2 Stutz Depot, jaja, der Umweltschutz macht auch vor dem Emmental nicht Halt!! – hingegeben hatten, stürzten wir uns ins Getümmel. Am Ende der Marktstände, in einem kleinen Park, in dem ich viele, sehr viele legendäre Erfahrungen gesammelt und dicke Freundschaft mit einer bestimmten Strassenlampe geschlossen hatte – selbstverständlich vor sehr langer Zeit in meiner nicht ganz exzessfreien Jugend, – trafen wir dann tatsächlich auf ein beginnendes Live-Konzert. Das heisst, der Schlagzeuger und der Gitarrist dachten offensichtlich, dass das Live-Konzert bald beginnen sollte, der Bassist dagegen schien über längere Zeit unauffindbar.
„Gopf, Berthold, du Gigu, wo bisch du häre, bisch go seiche?!“**,
der Schlagzeuger nutzte sein Mikro gleich dazu, den Bassisten im Stil des Kindehütedienstes von Ikea auszurufen. Unschönere Bezeichnungen folgten, dann aber, leicht stolpernd, kam der Bassist, der aussah wie eine Art Hippie-Grossvater (eine Emmentaler-Version von „Leo“ aus „The 70ies Show“!) seiner beiden knapp der Pubertät entronnenen Bandmitglieder, auf die „Bühne“, und die Show konnte endlich losgehen. Ich und meine Begleitung hatten uns unterdessen mit selbstgebackenem Cheesecake und Brownies bei einem nahen Essenstand eingedeckt (mein Cheesecake wurde offenbar von „Annegret“ gebacken, versicherte mir die Verkäuferin – ich kannte „Annegret“ zwar nicht, fand aber, dass das irgendwie beruhigend klang), und glücklich kauend zogen wir uns den ersten Song, ein halbwegs passables Cover von einem Patent Ochsner Song, rein.
Richtig los ging die Show dann aber beim zweiten Song. „I loufe dür Buuuretown, oh oh…“, die höchst emotionale Darbietung des Gitarristen (ganz recht, er coverte „Walking on sunshine“ von Katrina and the waves!!!) versprach Drama, und spätestens bei der Zeile
„I loufe dür Buuretown, oh oh… aber z Buuretown – louft nüt!!“***
war es um meine Beherrschung (doch, die existiert, wenn auch auf relativ tiefem Level) geschehen. Während der arme Junge in breitem Dialekt und mit leidender Miene besang, wie ausgestorben die Altstadt ist, wenn er Party machen möchte, musste ich bereits die Kuchengabel weglegen, denn ein unheimlicher Lachkrampf schüttelte mich dermassen durch, dass ich nicht mal mehr meinen Cheesecake zu Gemüte führen konnte. „Meine ganze Jugend, komprimiert in einem einzigen fragwürdigen Coversong“, ich konnte kaum mehr reden, so musste ich lachen. Sogar die ekligen Döner des noch viel ekligeren Dönerstandes meiner Jugend fand Platz in der musikalischen Darbietung, und gerade weil ich in meinen jungen Jahren , bzw. kurz nach der Matura einen Job als freie Journalistin eines regionalen Käseblatts inne hatte, was zu diversen Artikeln über lokale Bands führte, war meinem Lachflash endgültig keine einzige Grenze mehr möglich. Ich lachte, bis ich Bauchschmerzen hatte, ich lachte, bis ich mich zusammen krümmen musste, ich lachte Tränen.
„Diese Truppe erinnert mich an ein Band-Interview“, ich hatte mittlerweile Seitenstechen vor Lachen, „Das war das desaströseste Interview meiner gesamten journalistischen Karriere!“ „Na komm schon, diese Band ist doch bestimmt mittlerweile international bekannt!“, meine Begleitung lachte mittlerweile fast genau so laut wie ich. „Ich weiss nicht recht, ich glaube, der Leadsänger äusserte damals – nebst vielen tiefsinnigen Statements zu der sexuellen Ausrichtung und Erfahrung seiner ebenfalls anwesenden, heftig vor sich hinpubertierenden Bandmitliedern – , er wolle Musik studieren oder so.“ „Na also, siehst du, und heute dürfen solche Stars in diesem Park mit zwei ihrer Kumpels live auftreten – an einem Streetfood-Festival!!“ „In der Tat, was für eine glamouröse Karriere“, mir liefen die Lachtränen runter, und ich konnte erst wieder mit Lachen aufhören, als die letzten Töne eines inhaltlich grauenhaften, aber wenigstens musikalisch vertretbaren weiteren Coversongs – diesmal von Stiller Haas – verklangen, und die ersten Akkorde von Göläs „Schwan“ (no way, DAS verlinke ich nicht!!) erklangen. „Heilandsack, das ertrage ich jetzt nicht auch noch“, meine Begleiterin und ich waren uns einig. Unterwegs zum Bahnhof bewaffneten wir uns dann doch noch mit Glühwein, flohen vor einem interaktiven Trommelkreis, lachten weiterhin in unangebrachter Lautstärke und verabschiedeten uns wieder von diesem witzigen, aber auch wirklich ausreichenden Besuch in unserer gemeinsamen Kinder- und Jugendzeit.
Bauerntwon, du hast dich wahrlich nicht verändert. Und ich bin ausserordentlich dankbar, dass ich heute keine Euphemismen mehr benutzen muss, wenn ich einen Artikel über dich verfasse – schliesslich werde ich heute auch von keinem Käseblatt mehr dafür bezahlt.
*Nein, Bauerntown und Streetfood-Festival sind nicht die korrekten Begriffe. Wie soll ich sagen, wie erwähnt, sozialer Zündstoff liegt auch ohne direkt identifizierbare Terminologien genug parat. Apropos: Alle genannten Personen in diesem Artikels sind selbstverständlich frei erfunden und haben keinerlei Bezug zu realen Personen – auch ich existiere somit nicht wirklich. Tja. Fein raus, was?!
** „Himmelarsch, Berthold, du Schafshode, wo bist du hin, bist du Pissen gegangen?!?“
*** „Ich laufe (=gehe) durch Bauerntown, oh oh… – doch in Bauerntown – läuft nichts!!“