Skye, das wussten wir schon vorher, ist eine der Standard-Attraktionen des schottischen Tourismus. Unmengen an Touristen besuchen die kleine Insel jedes Jahr. Obwohl auch Mull hauptsächlich vom Tourismus lebt, gibt es dennoch deutliche Unterschiede zwischen den beiden Inseln, die uns bereits kurz nach Ankunft klar wurden: Da sind z.B. Die Strassen. Auch auf Syke gibt es „single roads“, aber sie sind deutlich seltener als die grossen, gut ausgebauten (naja, zumindest für schottische Verhältnisse) zweispurigen Strassen. Da sind deutlich mehr Unterkünfte, da sind mehr richtige „Dörfer“ (während auf Mull eher verstreute einzelne Häuser und ab und zu kleine Weiler zu finden waren), da sind mehrere Tankstellen – mit etwas Glück führen sie sogar Benzin, in Uig z.B. War leider gerade der Tanklaster, der den Treibstoff liefern sollte, kaputt – kann ja mal passieren… – da sind viel mehr Lebensmittelgeschäfte und Restaurants. Kurz gesagt: Die Infrastruktur ist deutlich besser als auf Mull, mit allen Vor- und Nachteilen, die das mit sich bringt.
Mein Freund freute sich über die guten Strassen und konnte seit langem wieder einmal in normalem Tempo fahren, so dass wir am frühen Abend im Hostel einchecken konnten. Ein freundlicher junger Schotte nahm uns in Empfang und versorgte uns schon mal mit jeder Menge Tipps, was wir uns auf dieser schönen Insel alles ansehen sollten. Auch hier hatte es einen Pub direkt um die Ecke, wo wir schliesslich das nächste Dinner einnahmen: Für mich der gefühlt drölfzigste vegane Chiliburger (in Pubs nebst der obligaten Süsskartoffel-Chilisuppe oft die einzige Vegi-Variante). Dass ich beim Bestellen darauf bestand, KEINE Pommes dazu zu bekommen, schien den jungen Kellner ziemlich aus dem Konzept zu bringen: „NO chips?!“ „Yes, NO chips, please!“ (Das schottische Tischgebet so: „… unsere tägliche Kartoffel gib uns heute…“)
Am nächsten Morgen fuhren wir eher planlos Richtung Norden, als ein Wegweiser zum Dunvegan Castle unsere Aufmerksamkeit auf sich zog. Spontan bogen wir Richtung Westen ab, und besichtigten die schmucke kleine Burg sowie die herbstlich bunten Gärten rundherum. Im Shop nebenan fielen uns die bunten Handtaschen aus Harris-Tweed auf – die originellen Preise hielten mich aber von einem Kauf ab. Schliesslich würden wir auf der Isle of Lewis der Quelle des berühmten Wollstoffes näher sein – und mit ein wenig Glück wären sie da günstiger.
Einen kurzen Abstecher unternahmen wir zum Fairy Glen, dem Tal der Feen. Leider entdeckten wir in den witzigen Miniatur-Hügeln weder Feen noch Hobbits, sollten aber welche existieren, wohnen sie garantiert hier.
Auf einer kurvigen single road ging es dann zu einer der berühmtesten Sehenswürdigkeit von Skye: dem Quiraing. Die Massen der Touristen da nahmen isländische Verhältnisse an. So beschlossen wir, einfach kurz zum berühmten Felsen und dann wieder zurück zu spazieren. Etwa eine halbe Stunde, so unser Reiseführer, sollte das in Anspruch nehmen. Während ein steter Nieselregen aufzog, marschierten und kletterten wir immer weiter, vor und hinter uns immer noch Massen von Touristen. Die halbe Stunde war schnell verstrichen, wir hatten den berühmten Felsen längst erreicht, der Weg aber hörte nicht auf, und so wanderten wir halt einfach weiter. Immer weniger andere Touristen waren zu sehen, die Sicht wurde schlechter, ein leichtes Nieseln setzte ein, es wurde immer dunkler, während wir durch eine Landschaft wandelten, die an ein Fantasy-Szenarion erinnerte: „Nicht mehr lang, und wir betreten eine in Stein gehauene Festung, die von einem irren Zwerg regiert wird…“
Während wir den steilen Hang hochkraxelten, immer auf der Suche nach dem matschfreisten Tritt (der moorige Boden forderte seinen Tribut), wurde uns wieder einmal bewusst, wie verwöhnt wir von den Wanderwegen in der Schweiz sind. Hier gibts weder Wegweiser noch Markierungen, geschweige denn Distanz- oder Zeitangaben, und da wir keine Ahnung hatten, wohin die Wege hinführen würden, wählten wir bei Verzweigungen einfach den Weg, den auch die Wanderer vor uns eingeschlagen hatten. Gerade weil der Nebel immer dicker wurde & der Abend langsam nahte, schien uns das die sicherste Option. Irgendwann waren wir dann oben auf einem Grat, und just in dem Moment löste sich der Nebel auf und wir hatten eine herrliche Sicht in jede Himmelsrichtung. Die Abendsonne tauchte alles in mystisch anmutendes, goldenes Licht, es schien, als würde die ganze Insel von innen heraus leuchten.
In Portree, der „Hauptstadt“ von Skye erlebten wir dann einen weiteren Auswuchs der Touristenmasse: Anstehen für einen Tisch in einem Restaurant. Als wir dann schliesslich sassen, entdeckten wir eine absolute Seltenheit auf der Menuekarte: Lasagne! Euphorisch bestellten wir, die Aussicht auf ein Gericht OHNE Kartoffeln, und, noch viel besser, MIT Pasta liess uns das Wasser im Mund zusammen laufen. Was dann folgte… naja, um es kurz zu machen: Bestellt in Schottland keine Lasagne.
Am nächsten Morgen schliefen wir estmal bisschen aus, so dass wir erst gegen Mittag zum Campingplatz am Strand von Glenbrittle kamen, dem Ausgangspunkt unserer geplanten Wanderung auf den Coire Lagan. In unserem Reiseführer (Lonley Planet, what else) stand da sowas wie „einfache kurze Wanderung“, „für jeden machbar“, „etwa 3h hin und zurück“. An diese Worte sollten wir uns noch erinneren… nach etwa 1km fing das erste nieseln an, nach 2km regnete es in Strömen. Die vielen Wanderer hinter und vor uns zückten ihre Regenhosen, und auch mein Freund montierte seine – ich dagegen zeigte echte Härte und bestritt die Wanderung weiterhin ohne (dass ich vergessen hatte, sie in den Wanderrucksack einzupacken, hatte nichts, wirklich absolut NICHTS mit dieser Entscheidung zu tun!!). Vom Bauchnabel abwärts nass bis auf die Haut zog ich einen Moment kurz in Betracht, einfach umzudrehen, die Wanderung abzuzbrechen – aber andererseits WAR ich ja bereits platschnass, was hatte ich also schon zu verlieren?
Wir stapften also tapfer weiter, durch den Regen, so gut wie ohne Sicht, steil bergauf. Irgendwann kamen wir zu einem Felsen, unter dem sich ein Pärchen in unserem Alter untergestellt hatten – sie beschlossen gerade, umzukehren. Nicht aufgrund des miesen Wetters, sondern aufgrund der anstehenden Kletterpartie. An dieser Stelle musste man nämlich wirklich auf allen Vieren einen glatten (und sehr nassen) Felsen hochklettern. „Für jeden machbar“?? Wir liessen uns jedoch nicht beeindrucken und kletterten langsam den Fels hinauf. Ich bin zwar alles andere als sportlich, aber ich kann verhältnismässig gut auf Felsen herumkraxlen – wie sagte eine Freundin mal: „Du bist ja so das Modell Bergziege.“ Nach dem Felsen ging es dann nur noch relativ kurz einen krümligen Pfad hinauf, und schon waren wir am Ziel: Der kleine Bergsee liegt wie hingegossen da, malerisch umrandet von den düsteren, schwarzen Gipfeln der Cuillins.
Gerade schien sich das Wetter etwas zu bessern, als mir etwas unfassbar Dummes passierte: Als ich mein Handy aus dem Rucksack am Rücken meines Freundes gefischt hatte, um das schöne Panorama zu fotografieren, hatte ich vergessen, die Regenhülle des Rucksackes wieder zu befestigen. So hing sie nun einigermassen lose am Rucksack – was an einem windstillen Tag kein Problem gewesen wäre, doch leider fegte uns ein starker Wind um die Nase. Es geschah, was geschehen musste: Die lose Regenhülle wurde von einem Windstoss erfasst und vom Rucksack weggeweht. Weder mein Freund noch ich realisierten das, der Wind war viel zu laut und wir zu abgelenkt von der Aussicht. Plötzlich hörte ich einen anderen Wanderer rufen und drehte mich um – da segelte die Regenhülle bereits quer über die Felsen. Mit einer Art Hechtsprung versuchte ich sie zu fangen, aber ich hatte keine Chance, der nächste Windstoss erfasste sie, wenige Sekunden, bevor ich sie in den Händen hielt, und beförderte sie umgehend mitten in den See.
Heilige Scheisse!
Da stand ich nun, fassungslos, während die Strömung des Bergsees unsere knallrote Regenhülle langsam gegen Westen beförderte. Ich kletterte so nah wie möglich ans Ufer und zog Schuhe und Socken aus – ungeachtet der eisigen Temperaturen watete ich ein paar Meter in den See, musste aber bald umkehren – das Wasser war viel zu tief. „Scheisse!!!“ Fluchend stand ich am Ufer. Mein Freund hatte mittlerweile ebenfalls mitgekriegt, welch unfassbare Dummheit mir soeben passiert war. Ein knallrotes Stück Plastik mitten in einem malerischen Bergsee – der Umwelt-Super-GAU. „Mir scheissegal, ich zieh jetzt meine Hose aus und hole das Ding da raus“ – mein Freund versuchte, mich davon abzuhalten, aber ich hatte mich bereits meiner Hose entledigt. „Wenn ich so richtig Glück habe, stellt das jemand auf Youtube“, witzelte ich noch: Die ungläubigen Blicke der anderen Wanderer waren mir sicher. An dieser Stelle verfluchte ich die morgendliche Wahl meiner Unterbuxe in aller Form – sagen wir einfach, sie war „bisschen knapp geschnitten“. Todesmutig watete ich also hosenlos in das eisige Wasser. Der Untergrund war steinig, uneben und rutschig. Als das Wasser gerade so meinen Hintern erreicht hatte, sank ich plötzlich mit meinem rechten Bein fast bis zum Knie in einen schlammigen Untergrund. „Scheisse!!“ Es blieb mir nichts anderes übrig, als umzukehren. Immer noch war ich mehrere Meter von der Regenhülle entfernt, die sich mittlerweile in einer Wasserpflanze verfangen hatte. Ich zog mein rechtes Bein mühsam wieder aus dem Sumpf, strauchelte dabei ziemlich, so dass ich um ein Haar hingefallen wäre, und manövrierte mich dann zurück ans Ufer. Das Straucheln hatte mir ein Souvenir beschert, meine Zehen waren blutig. „Ok, das wird nichts“, ich zog meine Hose wieder an – zur grossen Erleichterung meines Freundes. In der nächsten halben Stunde versuchte er dann, die Hülle mit Steinen zu treffen, damit sie sich aus der Wasserpflanze löst und mit viel Glück durch die Strömung das westliche Ufer des Sees erreichen konnte – ohne Erfolg. Bäume oder Sträucher wachsen hier nicht, so dass es auch keine Stecken gab, die wir hätten einsetzen können. Schliesslich verliessen wir den See und wanderten – nun bei Sonnenschein – zurück ins Tal. Solltet ihr je hier vorbeikommen und eine rote Regenhülle mitten im See entdecken: Seid gnädig in eurem Urteil, wir haben echt versucht, sie da rauszukreigen.
Zurück im Hostel genossen wir einen herrlichen Sonnenuntergang direkt aus unserem Zimmerfenster. Am nächsten Tag dann ging es wieder auf zur Fähre – die nächste Insel wartete auf uns.

Für ein Hostel echt hübsch, nicht?

Nettes Schlösschen.

Im Innern des Castles.

Die Lage ist hervorragend gewählt.

Aussicht vom Schlosshof.

Im „Fairy Glen“, dem Tal der Feen.

Blick über das Tal.

Am Quiraing. Nicht im Bild: Die Horden von Touris, die mit uns da waren.

Schottisches Wetter.

Ungeplante Wanderung am Quiraing.

Eine Landschaft wie aus Herr der Ringe.

Durch den Nebel hoch zum Grat.

Blick vom Grat.

Wir hatten wieder mal echt Schwein mit dem Wetter.

Eine herrliche Landschaft.

Kaum zu glauben, dass kurz zuvor noch alles neblig und nass war.

Die Wanderung zum Coire Lagan begann äusserst nass.

Endlich oben angekommen!

Bergsee, hier noch ohne Rucksack-Regenhülle.

Rückblickend muss ich sagen: Die paar Kratzer waren echt harmlos im Vergleich zu dem, was sonst alles hätte passieren können.

Die Aussicht ist traumhaft.

Wasserfälle säumen den Weg.

Blick nach unten.

Die wilden, düsteren, schwarzen Gipfel.

Abstieg vom Coire Lagan.

Aussicht beim Abstieg.

Komplett anderes Wetter beim Abstieg.

Die Bucht bei Glenbrittle.

Der Hafen von Portree.

Blick aus dem Autofenster.

Sonnenuntergang im Hostel.
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