Es ist wieder soweit, der Rhabarber hat Saison, und wie es so meine Art ist, stürze ich mich Hals über Kopf ins Rhabarber-Flash, äh, ich meine, in die Rhabarber-Verarbeitung. Da ich leider immer noch keinen eigenen Garten habe, bin ich dabei auf die Ernte meiner Mama angewiesen, und zum guten Glück scheint die Ernte dieses Jahr ausgesprochen grosszügig auszufallen (in vergangenen Jahren liefen diverse unsaubere Bestechungsversuche, um die mütterliche Rhabarberverteilung auf insgesamt 5 Nachkommen möglichst zu den jeweils eigenen Gunsten ausfallen zu lassen). Jedenfalls, meine übliche überbordende Euphorie, wenn es um die Ernte von irgendwas Essbarem geht, nahm erschreckende Ausmasse an, als ich gestern Abend im Internet über den Begriff „Rhabarbersirup“ stolperte.
Ich meine, ernsthaft, in welch geiler Welt leben wir, wenn es sowas wie „Rhabarbersirup“ gibt?!
Ich sah mich ab da vor meinem gestigen Auge in luftigen Sommerkleidchen und sagenhaft mondänem Hut auf schicken Stehparties nett dekorierte, kühle Sommerdrinks mit Rhabarbersirup schlürfen: Martini & Rhabarbersirup, Prosecco & Rhabarbersirup, Weisswein & Rhabarbersirup – die Rhabarbersirup-Kombinier-Phantasie kennt keine Grenzen! Ich gab mich bereits im Vorfeld der Rhabarber-Übergabe dem Rhabarber-Rausch hin, untertützt durch die Internet-Rhabarber-Community, die mir unter anderem das hier zugespielt hat. (Rhabarberbarbarabarbarenbärtebarbierbier, gnihihihi!).
Jedenfalls, der heutige Tag kam, und mit ihm kam (endlich!!) die Rhabarber-Übergabe. Ein gutes Kilo Rhabarber, so die Ausbeute, die ich, voller Elan und leicht irre anmutender Euphorie, auf unseren Küchentisch packte.
Strategisch gesehen ein kolossaler Fehler, wie sich bereits sehr bald herausstellen sollte. Es geschah nämlich folgendes: Mein werter Freund betrat die Küche, und seine Augen fingen umgehend an, mindestens vergleichbar irre zu leuchten, als er den Rhabarber da liegen sah. „Mmmmmmh, Rhabarber!“, rief er enthusiastisch, „daraus mache ich eine feine Wähe zum Znacht!“ „Äh… Nein!“, ich war irritiert und sehr bestimmt, „machst du nicht! Daraus stelle ich Sirup her, Rhabarbersirup!“ „Sirup? Spinnst du? Das ist schade um den Rhabarber!!“ „Sicher nicht!“, ich war empört, „stell dir vor, wie fein, Rhabarber-Sirup!“ „Sirup ist total ungesund“, mein Freund versuchte es auf die durchtriebene Tour, „so viel Zucker, stell dir vor, du willst doch immer nur noch gesundes Zeug essen, da ist Sirup eine total schlechte Idee!“ „Vergiss es, ich koche Sirup!“ „Wähe!“ „Nein, Sirup!“ „WÄHE!“ „SIRUP!!“ – so ging es noch ein Weilchen weiter. Irgendwann, nach zähen Verhandlungen und diversen emotionalen Entgleisungen stand ein Kompromiss: Ein halbes Kilo für Sirup, das andere halbe Kilo für eine Wähe. Meine Güte, welche Aufregung!
Ich fing also an, den Rhabarber zu schälen und zu Sirup zu verarbeiten.
Nun hatte ich zwar Sirup, aber auch ziemlich viel Mus, das ich nicht wegschmeissen mochte. Da verhalf mir ein Rhabarber-Community-Mitglied zu einer weiteren genialen Idee: Aus dem verkochten „Mus“, das für den Sirup nicht verwendet wird, kann man gut Konfitüre kochen.
Rhabarber-Erdbeer-Konfitüre!! Ich LIEBE Rhabarber-Erdbeer-Konfitüre!! Im Gefrierschrank im Keller fand ich prompt noch zwei Säckchen gefrorene Erdbeeren, und so schmiss ich wohlgelaunt den Kochherd an. An der Stelle, als im Rezept von „Zucker“ die Rede war, stockte mein Enthusiasmus kurz. Zucker. Da war doch was. Ich öffnete den Küchenschrank und prompt kehrte die Erinnerung zurück: Gestern erst hatte ich den letzten Zucker aus dem Kilosack geschüttet. Ich konnte mich erinnern, wie ich dabei dachte „oh, sollte ich vielleicht irgendwo aufschreiben, dass wir keinen Zucker mehr haben.“
Da stand ich also, in der Küche, mit zwei Töpfen auf dem Herd, 1x Sirup, 1x Konfitüre in the makening, ohne ein einziges Gramm Zucker. An einem Sonntag! In der tiefsten Provinz! Herrlich!
Selbstverständlich kehrte nach dem ersten Schock unmittelbar mein Kampfgeist zurück. Wäre ja gelacht, wenn ich dieses Problem nicht mittels Improvisation lösen könnte!! Wie soll ich sagen: Änni 1, mangelnde Organisationsfähigkeit 0.
Und siehe da: Alles ward gut. Sirup, Konfi, Rhabarber-Rausch und Änni umarmten sich innig, machten einander solange Komplimente, bis alle heulten und ritten dann – geistig völlig entrückt – auf einem gefilzten Regenbogen in den Welt-, äh, ich meine, in den Sonnenuntergang.
(Und irgendwann später, als alle 4 auf einer höheren Bewusstseinsstufe angekommen waren, entstand dann auch noch eine Wähe für mein Herzblatt.)
Die Rhabarberstangen waschen und in etwa fingerdicke Stücke schneiden. In einen Topf mit 4 dl Waser geben und zum Kochen bringen. Bei geringer Hitze so lange kochen, bis die Rhabarberstücke zerfallen (ca. 15 Minuten). Das Rhabarberpüree durch ein Haarsieb gießen und den Saft auffangen. Die Stücke mithilfe eines Löffels gut ausdrücken. Den Topf mit dem Rhabarbersaft zurück auf den Herd stellen, Saft einer halben Zitrone, Zucker und Vanillezucker dazugeben und 4 Minuten sprudelnd kochen lassen. Den Rhabarbersirup mithilfe eines Trichters in gut gereinigte Flaschen füllen und fest verschließen. Kühl und dunkel lagern. Das verkochte Mus wiegen, mit entsprechend viel Zucker und Erdbeeren einkochen, ergibt feine Erdbeer-Rhabarber-Konfitüre. Rhabarbersirup
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