Gegen 14 Uhr 30 trafen wir in La Fortuna, der Touristenhochburg am Fusse des Vulkans Arenal ein. Laut Reiseführer sollte man hier im Busbahnhof gut auf sein Gepäck aufpassen, aber der einzige merkwürdige Typ hier war ein Souvenirverkäufer, der uns erst seinen Kram anbot und sich danach so richtig schön nahe neben mich setzte. Jackpot! Aber schon bald darauf grunzte der Typ unverständlich und verkrümelte sich in beachtlichem Tempo – von links nahte ein Polizist.
Schliesslich kam ein älterer Herr der Reiseagentur daher, der unseren „Transfer“ zu der nächsten Unterkunft leisten sollte.
Ja, wir leisteten uns einen privaten Transfer für eine Strecke von etwa 3 Stunden. Nicht ohne ausführliche Diskussion, versteht sich. Es wäre rein theoretisch möglich gewesen, einen Grossteil dieser Strecke mit den öffentlichen Bussen zurückzulegen. Allerdings, soviel hatten wir bisher gelernt, sind die Busfahrpläne in Costa Rica eine Art Mysterium, welches nicht einmal die Einheimischen recht durchschauen. Im Internet findet man für praktisch jede Strecke einen Fahrplan, aber nur, weil die Verbindung laut Internet existiert, heisst das noch lange nicht, dass sie das ausserhalb des Internets auch tut. Die Hotels haben meist ausgedruckte Busfahrpläne aufliegen, allerdings sind die meist nicht mehr aktuell. Zusammenfassend: Ausserhalb der grossen Städte weiss niemand wirklich, wann, wo und ob der Bus denn nun genau fährt. Die Abfahrtszeiten ab San José z.B. sind fix und werden auch exakt eingehalten, aber alles, was ausserhalb liegt… Es war somit nicht sicher, ob wir, nach etwa 3mal umsteigen, mit dem ÖV wirklich noch am selben Tag an unser Ziel, „Boca Tapada“, gelangt wären. Ich liess mich schliesslich von meinem wie immer vernünftigeren Freund überzeugen, dass wir nicht auf Risiko spielten (obwohl ich fand „schlimmstenfalls machen wir Autostop!“), sondern zähneknirschend den Preis für den Transfer bezahlten.
Boca Tapada ist ein winziges Dorf in der Nähe der Grenze zu Nicaragua, in einer Gegend, in der im grossen Stil Ananas angebaut werden. Boca Tapada ist ausserdem eine Ortschaft, die nicht einmal die meisten Einheimischen zu kennen scheinen, wir trafen mehrere Ticos, die uns mit grossen Augen erklärten, dass sie keine Ahnnung haben, wo das liegen soll. Abgesehen davon liegt in der Nähe von Boca Tapada eine Art Lodge mitten im Urwald, die offenbar bei Ornithologen hoch im Kurs ist, und genau da wollten wir hin.
Die Fahrt mit dem Touristenbus dauerte ewiglich, wobei das nicht an der Distanz lag, sondern am absolut desaströsen Zustand der Strassen ab Pital, der nächsten „grösseren“ Ortschaft (grösser meint grösser als Boca Tapada, aber das ist wirklich sehr schnell möglich). Nicht nur sind die Strassen hier nicht asphaltiert, nein, eine Invasion von Schlaglöchern, jedes davon so gross wie ein durchschnittlicher Schweizer Kanton, führt dazu, dass selbst ein Geländefahrzeug mit maximal 20km/h unterwegs sein kann – und dass dessen Passagiere definitiv einen starken Magen mitbringen sollten. Habe ich schon erwähnt, dass es wieder einmal seit Stunden schüttete, als ob Frau Holle ihren neuen Hochdruckreiniger einweihen würde? Jedenfalls, ich hätte mit unserem Fahrer echt nicht tauschen wollen. Wir passierten endlos wirkende Ananas-Plantagen und sehr viele junge Männer, die vermutlich auf dem Heimweg von der Arbeit auf den Plantagen waren – zu Fuss. Im strömenden Regen, die meisten ohne Regenkleidung, ohne Hut, ohne Schirm. Etwa 2 Autos begegneten uns auf der mehrstündigen Fahrt durch die Schotterpisten-Schlamm-Kraterlandschaft, dazu ein paar Motorfahrräder, mehrere Fahrräder und wie gesagt sehr viele Fussgänger. „Wir hätten keine Chance gehabt mit dem Autostop“, musste ich zugeben.
Es war Nacht (hier dunkelt es verflixt früh ein) und es regnete immer noch in beachtlichem Ausmass, als wir bei der Lodge eintrafen. Wir wurden von zwei Männern mit Regenschirmen, Taschenlampen und einigen Brocken Deutsch in Empfang genommen. „Leider wir haben ein Problem mit Elektrizität“, der Mann in den Regenstiefeln lächelte, „aber haben Kerzen“. Es war schon irgendwie merkwürdig, hier, am sprichwörtlichen Dschungel-Arsch von Costa Rica auf deutsch begrüsst zu werden, offenbar stammten jedoch 90% der Gäste dieser Lodge aus dem deutschsprachigen Raum.
Die nächsten Tage in diesem Dschungel-Paradies verflogen wie im Flug, und auch Frau Holle verstaute ihren Hochdruckreiniger wieder, so dass wir ziemlich viel Sonne und ziemlich wenig Regen abbekamen. Wir sahen unendlich viele wunderschöne, exotische Vögel, viele davon so nahe, dass mein Freund mit seiner Super-Duper-Kamera wunderbare Fotos schiessen konnte. Apropos: Nebst uns war eine Reisegruppe aus den USA da, und ihr könnt euch nicht vorstellen, was die an Foto-Equipment dabei hatten. In meinem ganzen Leben habe ich noch nie solche Riesen-Kameras gesehen! Die Super-Duper-Kamera meines Freundes sah daneben aus wie eine billige Digicam. „They just take photos all the day“, grinste einer der jungen Guides, der uns durch den Urwald führte – und offenbar verkaufen sie diese dann auch. Wir passten da nicht wirklich dazu, auch altersmässig nicht, und doch war es wunderschön. Unten am See konnten wir die Kanus ausleihen und entdeckten bei unseren Ausflügen Echsen, die übers Wasser flitzen können, riesige Raubvögel, Horden von roten Aras, ein Babykrokodil und ein riesiges Krokodil, Kaimane, Leguane, Brüllaffen, Unmengen an Fröschen, Spinnen, Schmetterlingen, Kolibris, und Unmengen an anderen Vögeln, die wir nicht mit Namen kannten.
Grandios (oder auch „ohrenbetäubend“) waren auch die Nächte. Sehr viele Tiere, darunter auch die Brüllaffen, sind nachtaktiv – entsprechend der Lärm nachts. Henry, der Nachtwächter, die gute Seele und Herrscher der Kaimane, erzählte uns, von Lachkrämpfen geschüttelt, eine Story eines etwas verwirrten deutschen Gastes, der morgens um 4 fluchend in den Unterhosen auf der Terasse gestanden sei und „Ruhe, verdammte Scheisse!“ in Richtung der Brüllaffen geschrien habe – ohne damit Erfolg zu haben, im Übrigen.
Eine kleine Panne gab es dann noch beim Bezahlen – nicht nur das Internet, sondern auch die Kreditkartenmaschine streikte hartnäckig. Wir kratzten unsere letzten Colones zusammen, und kamen schliesslich knapp auf den verlangten Betrag. Ich war traurig, diesen Ort zu verlassen. Wild wuchernde Natur hat es mir schon immer angetan, und ich kann mir keinen schöneren Ort vorstellen als mitten im Urwald. Einer der amerikanischen Ornithologen bedauerte meinen Freund ganz offen, dass er „because of your girlfriend“ nun weg von den Tieren und hin zum Strand müsse (ich regte mich auf schweizerdeutsch nur ein kleines bisschen darüber auf, dass dieser arrogante Macho-Arsch einfach so zu wissen schien, dass selbstverständlich ich, die Tussi, unbedingt ans Meer wollte. Gnah!!). Dort gebe es nichts zu sehen, beteuerte er, und versuchte, uns zu überzeugen, dass wir besser die Nebelwälder als die Playa Conchal besuchen sollten. Ohne Erfolg, aber mir wurde wieder einmal bewusst, dass 2 Wochen einfach viel zu kurz sind für dieses Land. So vieles gäbe es noch zu entdecken. Jä nu. Auf zum Strand!
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